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Gedenken an die "Köpenicker Blutwoche" 2021

Verantwortlicher Autor: Michael Fuchs Köpenick, 27.06.2021, 20:49 Uhr
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Gedenken an die Opfer der
Gedenken an die Opfer der "Köpenicker Blutwoche"  Bild: Michael Fuchs

Köpenick [ENA] Nicht nur regional, sondern im ganzen Reich fanden im Juni die Aktionen der Sturm-Abteilung (SA) statt. In einer riesigen Verhaftungs- und Folteraktion wurden alle, die sich gegen die Faschisten, denen am 30.01.1933 die Macht übertragen worden war, geäußert oder gar engagiert hatten, verfolgt.

Ab dem 21. Juni 1933 fanden im ganzen Deutschen Reich gezielte Aktionen gegen Antifaschisten, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten statt. Dazu wurden Listen, die die Nazis erbeuten konnten, verwendet, um Namen und Adressen herauszubekommen. Aber auch durch die unter Folter erpressten Daten wurden die Listen der Namen immer länger. Die Faschisten wollten aller ihrer Gegner habhaft werden und ein Zeichen setzen. Dabei waren sie sich aber noch nicht ganz sicher, wie die Bevölkerung darauf reagieren würde.

Hinweisschilder zur Veranstaltung und Gedenkstätte

Im ganzen Reich fanden Verhaftungen und Folterungen statt. Die Listen mit Namen und Adressen von Antifaschisten, Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, aber vor allem auch von Kommunisten hatte man organisiert und durch Verhöre erpresst. Ganz gezielt ging man gegen jeden vor, der sich gegen die Faschisten geäußert hatte. Allein in Köpenick wurden über 500 Menschen gefangen genommen. Zwischen 24 und 91 Todesopfer schuf man in der Juni-Woche 1933. Es war vor allem auch ein Versuch, die Bereitschaft der Bevölkerung zu testen, wie weit die erst wenige Wochen zuvor eingesetzte faschistische Regierung gehen kann.

Der Bezirk hat viele kulturelle Orte, darunter auch zahlreiche Gedenkorte, die aber viel zu wenig genutzt werden. Nur an zwei Tagen ist z. B. die Gedenkstätte "Köpenicker Blutwoche" geöffnet. Aber dafür können solche Veranstaltung, wie am 21. Juni 2021 helfen, den Ort bekannter zu machen und das Geschichtsbewusstsein zu stärken. Wenn es denn gut gemacht wird. Leider war die Veranstaltung kaum beworben worden und es fanden sich dann 25-30 Personen ein, die allerdings größtenteils entweder zur Veranstaltung oder zu den Organisatoren gehörten. Dies ist sehr bedauerlich, da hier Chancen vertan werden. Keine Vertreter der Parteien waren gekommen, kein offizieller Repräsentant des Bezirks oder Landes. Und das im Wahljahr. Traurig.

Friedrich Bassarak
Eine Moderatorin
Karla Sachse

Der Akkordeonist rahmte die Veranstaltung ein und spielte zu Beginn ein Lied von Schostakowitsch von 1933 - gleichzeitig fand die Fete de la Musique statt und es gab noch Proben in benachbarten Häusern. So wurde die schöne Veranstaltung leider immer wieder durch Misstöne gestört. Die Moderatorin aus der Bezirksverwaltung führte durch die Veranstaltung und stellte die Rednerinnen und Redner vor. Sie sorgte auch für die Einhaltung der Corona-Regierungsmaßnahmen, da die Veranstaltung sonst nicht hätte stattfinden können.

Bezirksstadträtin Flader

Die Bezirksstadträtin Cornelia Flader war von der CDU als Leiterin der Abteilung Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport aufgestellt worden. Inzwischen ist sie aber zu der Partei "Freie Wähler" gewechselt, die gar nicht in der BVV vertreten sind. Sie berichtete von den sechs "Interventionen", die im Rahmen der "Blutwoche" als Tatorte gekennzeichnet worden sind. Sie meinte, die Opfer seien völlig wahllos aufgesucht worden und einige wurden wohl verletzt. Immerhin betonte sie, es wäre damals, im Juni 1933 noch möglich gewesen, zu intervenieren. Nachbarn hörten und sahen die Taten, aber niemand schritt ein.

Durch Zivilcourage - so stellte sie einen Bezug zu heute her - könnten ganze Systeme stolpern. Aber: "man tat es nicht". Tatsächlich gab es zwar Beschwerden aus der Bevölkerung, aber die richteten sich gegen den Lärm, den die Schreie durch die Folterungen verursachten. Man müsste heute, so Flader, auch merken, wenn etwas gegen die Demokratie aufgebaut werde. Sie wies auch noch einmal auf die kleinen Informationsheftchen hin, die an den Stationen verteilt wurden und in der Gedenkstätte erhältlich sind.

Dr. Christoph Kreutzmüller vom Aktiven Museum - Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. - entschuldigte sich für die Teilnahme an der Veranstaltung des VVN-BdA, die um 17 Uhr am gleichen Tag stattgefunden hatte. Scheinbar gibt es eine Konkurrenz zwischen den beiden Veranstaltungen. In seinem erfrischenden Vortrag hob er die Familie von Georg Eppenstein hervor, der die Firma Ruilos (Knoblauch-Verwertung) in Köpenick betrieben hatte. Auch er wurde am 21.06.1933 entführt (von Verhaftung kann man ja nicht sprechen, da die SA eine Parteiorganisation und keine Behörde war).

Denkmal für die Opfer der Blutwoche

Seine Frau hatte sich für ihren Mann eingesetzt und auch nach der Befreiung die Täter zur Verantwortung ziehen lassen. Kreutzmüller hob hervor, dass man die Namen der Opfer nicht vergessen darf und auch die Täter benennen muss. In den 1950er Jahren hatten sich viele Täter in die BRD zurück- und sich so einer Strafe entzogen. In der DDR aber waren viele verurteilt worden, darunter 15 Todesurteile. Bis heute sind die Opfer in Berlin, aber auch im ganzen Reich nicht gezählt. Er betonte, wie wichtig es ist, Rituale, wie solche Gedenktage gemeinsam zu begehen und die Erinnerungen wachzuhalten.

Blick in den Innenhof des Amtsgericht
Ausstellungstafeln informieren
Blick in die Zelle

In der Gedenkstätte wurde die Raum-Klang-Installation "Es waren Nachbarn, es sind Menschen" eröffnet. Die Laudatio hielt die Künstlerin Karla Sachse aus Zschopau, die Mitglied im Preisgericht war, das den anonymen Wettbewerb entschieden hatte. Die Künstlerin Renate Herter durfte den Raum (eine ehemalige Zelle) gestalten, der einfach leer ist. In den beiden gegenüberliegenden Wänden sind jeweils acht Worte eingefügt. Es ist nichts zu hören.

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